Erziehungswissen: Was heißt denn „Sexuelle Entwicklung von Kindern“

Viele denken: Sexualität gehört in die Pubertät. Doch das wird der kindlichen Entwicklung nicht gerecht. Der Fehler: wir Großen setzen Sexualität oft mit Sex gleich.

Ein Herz für die Liebe, finden auch die Teddys. Und wer mit wen ein Paar werden kann, das ist ein Aspekt von Sexualität, der schon kleine Kinder beschäftigt. Foto: Egor Myznik/Unsplash

Baby, Wickeln, Kleinkind, Schnuller, Knuddeln, Tragen, Sexualität. Finde den Fehler. Für viele, und so war das auch für mich, hat das Wort Sexualität nichts im Kinderzimmer zu suchen. Okay, beim Teenie, der erste, hoffentlich zarte Erfahrungen mit Freund oder Freundin macht. Aber doch nicht in der rosahellblau Frotteedeckenbabywelt mit Kuscheltier!

Aber halt. Meiner Meinung nach ist die Diskussion falsch – denn das Ganze ist eine Frage der Definition. Und die geht oft durcheinander. Darum auch werfen Kritiker der modernen Sexualpädagogik vor, sie würden arme Kinder mit Sexualität konfrontieren, mit der die noch nichts anfangen können. Pustekuchen. Thema verfehlt. Das ist Quatsch. Denn natürlich sind sich alle einig, dass erwachsene sexuelle Handlungen nicht ins Kinderzimmer gehören. Es geht ja gerade darum, Kinder zu schützen – nur ist die Frage, wie. Mit altersgerechter Information und Wissen, auch emotionalem Wissen.
Doch die Grundfrage ist: von welchen Bild von Sexualität gehen wir aus.

Der Kurzschluss: beim Stichwort Sexualität nur an das zu denken, was Erwachsene tun

Natürlich ist Sexualität mehr als Geschlechtsverkehr und körperliche Liebe unter Erwachsenen. Sexualität, und darauf kommt man schnell, umfasst Liebe, Körperlichkeit, Geschlechter und Genitalien, Biologie, Berührungen und Beziehungen, und beinhaltet auch, ganz wichtig auch gesellschaftliche Werte und Normen. Und natürlich auch das, was Menschen tun wenn sie intim werden miteinander und Seele und Körper genießen. Dabei, ja, gibt es auch Grenzen und Gefahren, mit denen wir umgehen müssen, von unerwiderter Liebe über Fortpflanzungsstress bis zu Krankheiten. Aber das ist eben nur ein Teil.

Und so stellt man fest: schon in den Worten „Baby, Wickeln, Kleinkind, Schnuller, Knuddeln, Tragen“ stecken schon einige Aspekte von Sexualität drin: Das Baby wird in Liebe gezeugt, ausgetragen. Aus Mann und Frau werden Vater und Mutter mit den entsprechenden Verhaltensweisen, gewickelt wird hoffentlich mit zugewandter Berührung, dabei geht man mit den Geschlechtsmerkmalen um. Zum Kleinkind und dem Schnuller gehört das Wohlgefühl am ganzen Körper, das sich beim Nuckeln einstellt, beim Angenommensein und dem Körperkontakt, Streicheln zum Knuddeln. Studien zeigen, dass Menschenkinder ohne diesen Kontakt nicht gesund groß werden.

Und dann noch, ganz groß, gibt es noch… die Liebe. Zwischen den Eltern und Erziehenden, zum Kind. Kinder sehen schon früh: aus einem Paar kann eine Familie mit Kindern werden. Wer würde jetzt bestreiten, dass all die gefetteten Begriffe zur Biologie und Sexualität des Menschen gehören? Und dass ein Kind durch sie, mit ihnen aufwächst, und beim Aufwachsen hineinwächst in eine Welt, in der Sexualität in diesen Aspekten häufig ein Thema ist? Und dabei muss man je nach Alter so einiges einordnen lernen, um in der großen Welt zurecht zu kommen. Also! Jetzt bin ich ganz schön pathetisch.

Kurze Sammlung: was gehört also zu Sexualität und Kind? Was meint der Begriff „Kindliche Sexualität“?

Mit dem Begriff „Kindliche Sexualität“ fassen die Disziplinen Psychologie, Pädagogik, Erziehungswissenschaft und Medizin die psychosexuelle Entwicklung von Kindern. Und nein, gemeint ist eben nicht „das Kind hat Sex“, sondern alle Aspekte im Gesamtkomplex Sexualität, die in der Entwicklung eines Kindes eine Rolle spielen – und damit auch für Eltern, in der Erziehung.

Ich muss zugeben, dass ich den Begriff „Kindliche Sexualität“ nicht besonders gelungen finde. In fachlichen Kreisen ist man sich einig, wovon gesprochen wird – davon, dass schon Kinder sexuelle Wesen sind, dass sich auch ihre Sexualität von Geburt an entwickelt im Sinne von Gefühlen, Geschlecht, Liebe, Körper, und eben nicht erst in der Pubertät. Aber für normale Menschen ist der Begriff schwer anzunehmen. Ich denke das liegt daran, dass Sexualität in der Umgangssprache so oft zu (erwachsenem) Sex verkürzt wird. Und der ist für Kinder (richtigerweise) nicht richtig.

Wie Kinder sich entwickeln

Zum Abschluss dieses Nachdenkens über Sexualität und Kinder sammele ich hier einige Beispiele, die verdeutlichen, warum Kinder beim Aufwachsen natürlich in Verbindung kommen mit Sexualität, Aspekte davon sogar ausleben – dem Alter angemessen und von den Erziehenden hoffentlich respektvoll begleitet.

Für Kinder wichtige Aspekte von Sexualität

Ein paar Beispiele:

  • Mit Haut und Haar Kinder erobern die Welt mit ihren Sinnen. Bei Säuglingen ist es sogar so, dass Hautkontakt, Zärtlichkeit und körperliche Nähe zentral sind für eine gute menschliche Entwicklung: so wird ein Kind angenommen, direkt nach der Geburt. Ja, wir Menschen brauchen das. Tasten, fühlen, schmecken, lutschen sind gerade in den ersten Jahren die Tore zur Welt.
    Mir fällt dabei auf: Eigentlich lustig, wenn man darüber nachdenkt, was von diesen natürlichen Bedürfnis der Kleinkinder nach bei uns Erwachsenen bleibt: Das Lutschen von Bonbon oder Schokolade bis zum (ungesunden) Ziehen an der Zigarette, bleibt vom Nuckeln. Das Küsschen auf die Wange unter Freunden, die Umarmung von Liebsten und Verwandten, Zärtlichkeit unter Partnern bis hin, ja, natürlich auch der Intimität des Liebesaktes. Und wie sehr berührt selbst eine „harmlose“ Massage Haut und Seele. Zugleich erfüllt es auch Erwachsene mit Glück, ein Baby zu pflegen und zu halten.
  • Den eigenen Körper entdecken Ja, auch das hat sexuelle Aspekte. Babys lernen ihren Körper durch Berührung, unsere wie eigene in der Babypflege kennen. Kleinkinder ab zwei bis drei Jahren entdecken ihren Körper dann in Feinarbeit, auch die äußeren Geschlechtsorgane und nehmen ihn in Besitz, auch in dem Sie benennen, was sie haben. Dazu gehört auch, dass Eltern nach und nach erklären, wozu es da ist.
    Biologisch ist es übrigens kein Wunder, dass die Reizleitung, Schwellkörper, Organe schon angelegt sind und auch Kinder schon ein kitzliges Gefühl spüren spüren lassen kann. Dazu entsteht ein eigener Artikel der Eltern erklärt, was das bedeutet (Masturbation?) und den respektvollen Umgang damit erläutert.
  • Lieben Lernen So heißt der Blog, das ist aber nun wirklich eine der wichtigsten Aufgaben. Kinder lernen mit den Jahren, sich selbst in Beziehung zu setzen zu andern. In Liebe. In Freundschaft. In Respekt. Sie lernen die Werte und Normen unserer Gesellschaft kennen, die zu Zusammenleben als Paar, Familie, Gruppe, Gemeinschaft gehören. Dass man sexuell über sich bestimmen darf und die Selbstbestimmung und Intimität anderer respektieren muss. Auch das ist Teil der Kindheit.
  • Die Schamentwicklung. Auch sie wird an anderer Stelle weiter erklärt, auch, wie man damit umgeht. Doch ganz natürlich gehört auch die Schamentwicklung zur sexuellen Entwicklung in der Kindheit. Sie sorgt für natürlich gefühlte Grenzen. Gut wenn wir Eltern wissen, wie wir die Entwicklung passend begleiten.

Ich denke, so wird klar, warum auch Kinder sexuelle Wesen sind – und dass sie von allen, die Verantwortung für sie übernehmen in vielfältiger Weise Unterstützen brauchen beim Hineinwachsen in die verschiedensten Aspekte von Sexualität, die für ihr Leben bedeutsam sind.

Wer mehr Input braucht: Hier gibt es eine systematische Unterscheidung, wie sich sexuelles Entwicklung und Verhalten der Kinder unterscheidet von der Sexualität von Erwachsenen.

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